Wie gut und glaubwürdig sind deutsche Medien?

Medien dienen der Informationsbeschaffung, der Unterhaltung und leider auch dem Verbreiten von Desinformation, Hass und Hetze. Umso wichtiger also, Medien differenziert und kritisch zu betrachten – als Produzenten von Meldungen und als Kanäle, die eigene und fremde Meldungen verteilen, verbreiten und im Idealfall einordnen oder kommentieren.

Doch, wie gut und glaubwürdig kommen Print- und Online-Medien oder auch das Radio und die Social Media ihren Jobs nach? Welchen Formaten vertrauen die Deutschen am meisten und welchen Medien begegnen sie eher mit Skepsis? Antworten darauf gibt die WDR-Studie Glaubwürdigkeit der Medien 2019.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Ein Großteil der deutschen Mediennutzer – nämlich 90 Prozent – benotet die Qualität der Medieninformationen in Deutschland mit sehr gut oder gut. Ein konstanter Wert, der über die letzten vier Jahre sogar leicht zugenommen hat. 61 Prozent halten die über die Medien verbreiteten Informationen zudem für glaubwürdig. Das sind zwar 4 Prozent weniger als im Vorjahr, andererseits aber fast zehn Prozent mehr als vor vier Jahren.

Öffentlich-Rechtliches Radio ist Vertrauensquelle Nummer 1

Natürlich lässt sich eine WDR-Studie, in der die Öffentlich-Rechtlichen nicht gut wegkommen, schwer vorstellen. Und so nimmt der Titel der Untersuchung zumindest intuitiv bestimmte Teilergebnisse irgendwie schon vorweg, wenn auch nicht unbedingt in der erwarteten Form.

Ja, auf der höchsten Stele im Vertrauenstempel thront tatsächlich ein öffentlich-rechtliches Angebot. Doch das flimmert nicht auf der Mattscheibe, sondern kommt aus dem Weltempfänger: Mit 78 Prozent nämlich etabliert sich das Radio als das vertrauenswürdigste Medium der (repräsentativ befragten 1.000) Deutschen. Damit liegt es nicht nur zwei Zähler vor den Tageszeitungen und vier Punkte vor dem öffentlich-rechtlichen TV, sondern auch 17 Prozent über dem medialen Vertrauensschnitt von 61 Prozent. Dennoch musste das Radio im Vergleich zum Vorjahr 4 Prozent-Vertrauenspunkte abgeben, während Tageszeitungen fünf Prozent zulegten. Die öffentlich-rechtlichen TV-Sender gaben ähnlich dem Radio um drei Prozentpunkte nach in Sachen Glaubwürdigkeit.

Die Online-Angebote von ARD und ZDF genießen bei immerhin 59 Prozent der Befragten ein glaubwürdiges Image. Mit 46 Prozent vertraut weniger als die Hälfte aller Befragten den Online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften. Fast genauso viel Glaubwürdigkeit (44 Prozent) genießen private Radiosender und konnten sich verglichen zu 2018 sogar um drei Prozentpunkte verbessern. Weniger geneigt sind die deutschen Mediennutzer den privaten Fernsehsendern. Nur etwas mehr als ein Viertel will bei deren Angeboten von Glaubwürdigkeit sprechen. Noch weniger vertrauenswürdigen Zuspruch – nämlich nur 20 Prozent – erhalten die Internetangebote der Privaten.

Die roten Laternen im Vertrauensranking haben vor allem die Social Media inne. Nicht einmal ein Fünftel der Befragten kann Glaubwürdigkeit und YouTube in Verbindung zueinander bringen. Bei Twitter sind es gar nur acht Prozent. Facebook rangiert mit sieben Prozent auf einem Glaubwürdigkeitslevel mit der Boulevardpresse und Instagram schließlich gilt mit vier Prozent als das unglaubwürdigste aller abgefragten Medien.

Ausgewogene Berichterstattung im Fokus

Glaubwürdigkeit und eine gesunde Balance in der Berichterstattung können, müssen sich aber nicht gegenseitig bedingen. Das zumindest suggeriert das Ranking der jeweiligen Medienformate hinsichtlich der Ausgewogenheit in ihren Reportagen, Sendungen, Features, etc. Obwohl nämlich das Radio einerseits als die glaubwürdigste Quelle unter allen Medien gilt, führen andererseits die Tageszeitungen die Liste der Anbieter mit der am meisten ausgewogenen Berichterstattung mit 74 Prozent an – wenn auch nur denkbar knapp vor öffentlich-rechtlichem Radio und TV (73 respektive 72 Prozent).

Die entsprechenden Online-Formate der Erstplatzierten tun sich mit 57 bzw. gar nur 45 Prozent Zuspruch noch schwer, dieselbe Ausgewogenheit wie ihre Print-, TV- und Radio-Flaggschiffe zu vermitteln.

Wie bereits beim Kampf um die Glaubwürdigkeit, müssen auch in Sachen Berichterstattungsbalance die Social Media hinten anstehen. Und auch hier ist YouTube mit einem Fünftel Zuspruch das stärkste Vehikel der sozialen Netzwerke. Facebook und Twitter tauschen die Plätze mit 11 bzw. 10 Prozent und Instagram kann sich die tiefrote Laterne mit der Boulevardpresse mit 6 Prozent zumindest teilen.

An dieser Stelle muss man – um den Ausgewogenheitsstab nicht vollkommen über den Social Media zu brechen – zumindest erwähnen, dass weder YouTube noch Facebook, Twitter oder Instagram der Ausgewogenheit des auf den Plattformen verbreiteten Contents verpflichtet sind. Und es ist auch nicht Teil ihres Geschäftsmodells. Social Media leben ähnlich der Boulevardpresse und vergleichbar mit einigen öffentlich-rechtlichen Formaten vor allem davon, dass sie polarisieren. Mitunter auch skandalisieren und Inhalte zumindest im Sinne einer balancierten Berichterstattung nicht ständig moderieren. Zudem erwartet nicht jeder Nutzer ausgewogenen Content, wenn er in den sozialen Netzwerken unterwegs ist.

Und überhaupt ticken Social-Media-(Heavy)-User sowieso anders als diejenigen, die eher abstinent sind in Sachen soziale Netzwerke. Generell tendieren sie dazu, Tageszeitungen und den Öffentlich-Rechtlichen weniger Ausgewogenheit zu attestieren. Umgekehrt empfinden sie die Berichtserstattung der Privaten, die Online-Angebote und die Social Media generell als sehr viel ausgewogener als all jene, die sich eher seltener oder gar nicht auf den sozialen Plattformen bewegen.

Man mag es Betriebsblindheit und Blase nennen oder als Wahrnehmungskorridor in der Echokammer bezeichnen: Am Ende aber spiegeln gerade diese Ergebnisse wider, wie sehr sich die Wahrnehmung der Medien und deren Angeboten verbreitert hat. Und womöglich sogar vertieft. Ob Tiefe letztlich auch mit fundierter Berichterstattung einhergeht oder gar einhergehen muss, ist wiederum eine andere Frage.

Politik im Spiegel der Medien und Altersgruppen

Wer Medien sagt, muss auch Politik sagen. Das gilt umso mehr, wenn man über Polarisierung, Glaubwürdigkeit und Ausgewogenheit in den Medien diskutiert. Stellt sich die berechtigte Frage, woher die jeweiligen Nutzer ihre Informationen zum politischen Geschehen hauptsächlich beziehen.

Ein gutes Drittel der vom WDR Befragten nennt hier das öffentlich-rechtliche Fernsehen als Quelle Nummer 1, während nur etwas mehr ein Fünftel die wesentlichen Informationen zur Kartographierung der politischen Landschaft aus den Tageszeitungen bezieht.

Für immerhin noch 11 Prozent ist das Radioprogramm von ARD, ZDF und Deutschlandradio das Informationsmedium der Wahl in Sachen politisches Geschehen. Je mehr es dann in Richtung online geht, desto geringer wird die jeweilige Bedeutung der entsprechenden Angebote für die politische Bildung der User. So spielen weder die Online-Formate der Öffentlich-Rechtlichen noch die der privaten oder auch die Social Media eine große Rolle – mit Werten von zwischen 9 und 2 Prozent.

Anders jedoch sieht diese Informationslandschaft aus, wenn man die Antworten der Befragten hinsichtlich ihrer Altersgruppen betrachtet.

Digital Natives und Digital Immigrants zwischen 18 und 34 Jahren nutzen die Internetangebote und die Social Media als politische Haupt-Infoquellen in einem sehr viel größeren Maße als die +65-jährigen Best Ager/Silver Surfer. So stehen die Online-Formate von ARD und ZDF bei den jüngeren Nutzern mit 19 Prozent fast auf einer Stufe mit dem TV-Angebot der Öffentlich-Rechtlichen (20 Prozent). Und immerhin noch 9 Prozent der 18- bis 34-Jährigen nutzen die Social Media als hauptsächliche Informationsquellen rund um das politische Geschehen. Für die Senioren jedoch spielen Facebook, YouTube, Twitter und Instagram keine Rolle, wenn es um aktuelle Informationen aus der Politik geht.

ARD und ZDF als Quelle politischer Falschinformationen?

Fast ein Drittel all jener Nutzer, die die öffentlich-rechtlichen Angebote nicht zur Beschaffung ihrer poltischen Information in Betracht ziehen, wissen eigentlich gar nicht so genau, warum sie ARD und ZDF nicht schauen oder hören.

Dafür wissen es die Anhänger nebulöser „staatlich gelenkter Rundfunk“-Theorien umso besser. 16 Prozent von ihnen boykottieren nämlich die Öffentlich-Rechtlichen, weil sie sie als unglaubwürdig und als Verbreiter von Falschinformationen und Lügen empfinden. Und 14 Prozent denken, dass ihre Berichterstattung unausgewogen und einseitig sei. Auf dem dritten Treppchen in Sachen ARD/ZDF-Verschwörungsranking liegt die Behauptung, dass die Sender von der Regierung und/oder von Parteien beeinflusst und manipuliert würden. Sechs Prozent sind davon überzeugt.

Fast ein Zehntel schließlich gefallen andere Quellen besser. Welche das sind? Zumindest keine Öffentlich-Rechtlichen.

Mehr online, mehr Mediathek und Fokus aufs Regionale

Am Ende der WDR-Studie erhalten die Öffentlich-Rechtlichen noch einen speziellen Sendeauftrag.

Denn bei aller Zufriedenheit mit den Angeboten, der Glaubwürdigkeit und Ausgewogenheit in der Berichterstattung von ARD und ZDF, gibt es dennoch einige Desiderata der Nutzer.

Über ein Drittel der Befragten wünscht sich demnach noch mehr Regionales im Programm der Öffentlich-Rechtlichen. Ein Viertel will mehr Mediathek und fast 30 Prozent würden mehr Internet-Angebote und -Formate von ARD und ZDF begrüßen. Na, wenn das kein Weihnachtswunschzettel ist, den sich die Intendanten zu Herzen nehmen sollten.

  • Glaubwürdigkeit der Medien 2019

    Eine Studie im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks November 2019

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