Studie: Medien in Deutschland am vertrauenswürdigsten
Wem wird weltweit am ehesten zugetraut, dringende Herausforderungen wie die Digitalisierung, soziale Ungleichheit, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, Klimawandel oder auch Desinformationen in den Griff zu bekommen?
Diese Frage stellte der Edelmann Trust Barometer 2020 mehr als 34.000 Menschen in insgesamt 28 Ländern – und bekam natürlich auch spannende Antworten darauf. Eine davon: In Deutschland gelten die Medien als die vertrauenswürdigste Institution. Mit 49 Prozent liegen sie in Sachen Vertrauenswürdigkeit damit noch vor der Wirtschaft (48 Prozent), der Regierung und den NGOs (45 respektive 43 Prozent). Zudem konnten die Medien das von der Bevölkerung in sie gesteckte Vertrauen im Gegensatz zum Vorjahreszeitraum sogar noch um fünf Zähler steigern. Soweit die gute Nachricht.
Die weniger gute Nachricht aus medialer Vertrauenssicht: Im Vergleich zu den anderen 27 Ländern, die für diese Umfrage untersucht wurden, liegt Deutschland einerseits zwar genau beim durchschnittlichen globalen Wert von 49 Prozent, dafür aber in einem negativen Bereich gemeinsam mit anderen 15 Ländern, in denen das Misstrauen gegenüber den Medien dem Vertrauen in sie überwiegt – wenn auch, wie im Falle Deutschlands oder auch Italiens, nur knapp. In Ländern wie China und Indien wiederum ist das Vertrauen in die Medien sehr groß, bei 80 bzw. 73 Prozent, und konnte verglichen zum Vorjahr, sogar kräftig zulegen.
Insgesamt, so die Studie, nahm das Vertrauen in die Medien zumindest in 16 von 28 Ländern zu. Nur in den USA stagnierte es und für Thailand lagen keine Vergleichsdaten vor.
Zwei vollkommen verschiedene Vertrauenswelten
Legt man den Fokus weniger auf nationale Unterschiede als vielmehr auf die Kluft zwischen informierter und breiter Öffentlichkeit in den jeweiligen Gesellschaften, ergibt sich ein anderes Bild in Sachen mediales Vertrauen. Denn im Schnitt erreicht der Vertrauensindex für die Medien in der informierten Öffentlichkeit immerhin 61 Punkte. Bei der breiten Öffentlichkeit hingegen ist bei 47 Vertrauenspunkten Schluss. Eine größere Vertrauensdifferenz zwischen diesen beiden Gruppen zeigt sich nur bei den NGOs und den Unternehmen.
In Deutschland reicht die mediale Vertrauenskluft sogar noch tiefer. Hier nämlich erreicht der Index bei der informierten Öffentlichkeit 64 Punkte, während es bei der breiten Öffentlichkeit nur zu 44 Zählern reicht.
Medien kämpfen mit Unglaubwürdigkeit und Falschinformationen
Zusätzlich zum Vertrauen in die Medien leidet auch der Glaube an die Qualität ihrer Berichterstattung. So sind im Schnitt weltweit 57 Prozent und damit weit über die Hälfte der Meinung, dass die Medien mit unglaubwürdigen Informationen versetzt (oder schlimmer noch: verseucht) sind.
Und etwas mehr als Dreiviertel aller Befragten macht sich Sorgen darüber, dass gezielt lancierte Desinformationen als Waffen eingesetzt werden könnten oder sogar eingesetzt werden. Damit liegt der Wert immerhin sechs Punkte über dem Ergebnis von 2018.
Doch, wie soll dem begegnet werden? Eine Lösung wäre beispielsweise, dass Advertiser und Unternehmen ihre Marktmacht nutzen, um die Medien bzw. Medienplattformen jeglicher Art dazu zu bringen, ihr Haus frei von Fehlinformationen und deren systematischen Verbreitung zu halten. Gelingt den Medien und Social Media Plattformen das nicht – sei es aus Unvermögen oder Unwillen – sollten Werbetreibende und Unternehmen dort keine Werbung mehr schalten.
Von der Effektivität dieser Maßnahme sind global betrachtet 72 Prozent überzeugt. China liegt mit 85 Prozent weit über diesem Schnitt und Deutschland nimmt mit 48 Prozent die rote Laterne in die Hand. So ist hierzulande nicht einmal die Hälfte der Menschen der Meinung, dass Unternehmen und Advertiser monetären Druck auf Medien und Plattformen ausüben können, damit diese alles dafür tun, ihre Formate nicht weiterhin als Multiplikatoren für Desinformationen missbrauchen zu lassen.
Vertrauen in Journalisten größer als in Staatsführer
Welche Meinungsführer und Mächtigen wird am ehesten zugetraut, die Herausforderungen, vor denen die jeweiligen Länder stehen, erfolgreich anzupacken? Auch diese Frage stellte der Edelmann Trust Barometer 2020.
Das größte Vertrauen wird in dieser Frage in die Wissenschaftler gelegt. 80 Prozent der Befragten sehen am ehesten in ihnen die Heilsbringer. Es folgen Mitbürger in der eigenen Gemeinde/Stadt und aus dem eigenen Land (69 bzw. 65 Prozent), wahrscheinlich weil die Überzeugung überwiegt, dass diejenigen, die in derselben Gemeinde oder Stadt oder auch im selben Land leben, die drängendsten Probleme eher auf dem Schirm und entsprechende Lösungen parat haben.
Immerhin noch 51 Prozent glauben an die Problemlösung durch die Vorstände großer Unternehmen und genau die Hälfte der Befragten traut Journalisten zu, die richtigen Antworten auf dringende Zukunftsfragen zu haben. Damit liegt die schreibende und recherchierende Zunft zwar nur haarscharf im positiven Vertrauensbereich, andererseits jedoch noch vor religiösen Führern, Staatslenkern und den richtig Reichen.
Schlechter schneiden die Medien(vertreter) jedoch ab, wenn es um die Frage geht, welcher Gruppe das größte Vertrauen entgegengebracht wird beim Schutz der Selbständigen und Freiberufler, die in Gig Economy auf Abruf arbeiten, nicht über ihre Auftraggeber sozialversichert sind, meist wenig verdienen und nicht selten mehrere Gig-Working Jobs parallel zueinander haben, um über die Runden zu kommen. Und diese Gruppe der Digital-Präkeren ist groß. Alleine in den USA waren es 2018 etwa 57 Millionen Menschen, die in der Gig Economy tätig waren. Das Vertrauen in die Medien, diese Gig-Economy-spezifischen Probleme zu lösen, ist mit neun Prozent recht gering.
Noch weniger, nämlich gerade einmal acht Prozent, trauen die Befragten den Medien eine entscheidende Rolle bei Umschulungen für Angestellte und Arbeiter zu, damit diese im sich digitalisierenden und automatisierenden Arbeitsumfeld auch künftig mithalten und ihr Geld verdienen können.
Suchmaschinen als vertrauenswürdigste Quellen
Auch wenn mancher Kritiker von Google und Co. sich in seinen Allmacht-Apokalypse-Szenarien der Suchmaschinen bestätigt fühlen mag: Suchmaschinen sind laut der Edelmann-Umfrage für 62 Prozent der Nutzer die vertrauenswürdigste News-Quelle. Dicht dahinter finden sich die traditionellen Medien (60 Prozent) und etwas weiter abgeschlagen die Öffentlich-Rechtlichen mit 46 Prozent. Die Social Media betrachten dagegen weltweit nur 41 Prozent als bevorzugte Vertrauensquelle für Nachrichten.
Auf die einzelnen Regionen des Globus heruntergebrochen überwiegt das Vertrauen in die klassischen Medien gegenüber den Suchmaschinen nur in Europa und in Nordamerika. Und auf beiden Kontinenten schneiden die Social Media mit 29 Prozent denkbar schwach ab. In Asien, dem Pazifischen Raum wie auch im Nahen Osten und Afrika sind es hingegen die Suchmaschinen, die als vertrauenswürdigste News-Lieferanten gelten, während die Vertrauenswürdigkeit der News in den sozialen Netzwerke immerhin fast die Hälfte der Befragten überzeugt. In Süd- und Mittelamerika bauen Google, Bing und Co. ihre Vertrauensvormachtstellung gegenüber Zeitungen, Radio und Fernsehen sogar noch weiter aus, ebenso wie die Social Media stark im Rennen sind.
Und doch: Über alle Regionen der Welt hinweg verlieren alle Medien verglichen zum Vorjahr an Vertrauen.
News-Engagement steigt kontinuierlich
Auf die Frage nach den vertrauenswürdigsten Quellen folgt die Frage nach der Frequenz, mit der News aus entsprechenden Quellen konsumiert werden. Und hier zeigt sich, dass es immer mehr Menschen gibt, die regelmäßig News lesen oder hören und dazu auch selbst verbreiten.
Waren es 2018 noch 44 Prozent, die sich seltener als einmal pro Woche ihre News-Dosis holten, sind es mittlerweile nur noch 23 Prozent, die lediglich sporadisch Nachrichten konsumieren. Stark angestiegen ist gleichzeitig der Anteil jener, die sich nicht nur mindestens einmal pro Woche oder gar öfter mit News versorgen, sondern entsprechende Inhalte auch mehrmals pro Monat oder auch häufiger teilen oder posten.
Den „Puffer“ zwischen den weniger und sehr Engagierten bildet die Gruppe derjenigen, die Nachrichten zwar regelmäßig, dafür aber ausschließlich passiv konsumieren. Immer größer also wird dadurch der Anteil all jener, die Nachrichten nicht nur empfangen, sondern durch das Teilen und Posten in den Social Media selbst zu Sendern und Verstärkern werden.