Geh weg, Gehweg-Werbung?

„Treten Sie ein bzw. drauf – auf die Gehweg-Werbung!“ Denn Graffiti und Guerilla-Marketing machen es möglich, dass auch der Weg, auf dem wir gehen, von Werbetreibenden reklamiert wird. Zumindest, solange es die Stadtverwaltung nicht sieht bzw. duldet oder gar als Experiment erlaubt.

So geschehen in den französischen Städten Lyon, Bordeaux und Nantes, wenn auch mit strengen Auflagen. So musste die Werbung auf dem Gehweg einen Abstand von 80 Metern zur nächsten werbewirksamen Markierung aufweisen. Zudem sollte sie nur für einige Tage sichtbar sein und sich dann von Hand der Werbenden oder selbst auflösend verabschieden. Zu Beginn des Jahres jedoch hat die Regierung in Paris die Erlaubnis zum Anbringen der kurzlebigen und biologisch abbaubaren Reklame zumindest in Bordeaux und Nantes widerrufen – aufgrund fehlender Abstimmung zwischen Paris und den jeweiligen Städten, die eigentlich nicht Teil des Experiments sein wollten. Wie lange die Gehweg-Werbung in Lyon noch zu bewundern sein wird, bzw. für den einen oder anderen als Ärgernis im Gedächtnis bleibt, steht noch nicht fest.

Bodenwerbung – ein heißes Pflaster

In Frankreich stieß diese Form der Werbung bisher auf wenig Gegenliebe. So beschwerten sich viele Bewohner, dass sie doch bereits ausreichend von Werbung umgeben seien. Die Regierung in Paris schien den Städten zudem zu schnell dem Druck der Unternehmen nachgegeben zu haben, wollen die doch natürlich immer neue Werbeformen testen. Und das spült schließlich ja auch Geld in die Kassen der Kommunen und Städte.

Auch Deutschland ist ein heißes Pflaster, wenn es um Werbung auf dem Bürgersteig bzw. prinzipiell von Benutzungsarten des Gemeingebrauchs geht. So bedürfen Kundenstopper ebenso wie zu Werbeträgern umfunktionierte Fahrzeuge oder Gehweg-Werbung generell einer Genehmigung. Sprüht oder klebt man seine geniale Guerilla-Marketing-Idee einfach so auf das Trottoir (und sei es noch so biologisch abbaubar und umweltfreundlich) ohne sich vorher eine entsprechende Genehmigung eingeholt zu haben, drohen Bußgelder und hohe Kosten bezüglich der Reinigung und Entfernung der Reklame. So übrigens bereits geschehen in einigen deutschen Großstädten wie Köln, Düsseldorf und Frankfurt.

In der Main-Metropole aber scheint man mit zweierlei Maß zu messen, war es doch beispielsweise dem Zoo oder auch der Kunsthalle Schirn erlaubt, Werbung auf Zebrastreifen oder QR-Codes zu Ausstellungslandingpages auf den Bürgersteig anzubringen, weil diese Aktionen auch im Interesse der Stadt liegen, so Verantwortliche.

Flo(o)rierende Werbeform auch für die Städte

Dass Städte und Gemeinden die Monopolstellung auf die Bepflasterung ihrer Gehwege und öffentlichen Räume mit Werbung verteidigen, ist andererseits auch nachvollziehbar. Erstens, weil man mit dem Erteilen von Genehmigungen zur Sondernutzung wie auch mit Strafzahlungen Geld verdienen kann. Zweitens, weil Gehwege ja tatsächlich im Gemeingebrauch sind und die Städte am Ende zugunsten derer entscheiden müssen, die Werbung auf dem Bürgersteig nervt. Drittens können sie den verbleibenden Raum auch in Eigenregie für ihr Stadt- oder Regionalmarketing verwenden. Und so kommen mitunter auch himmlische Pfade zum Vorschein, wie beispielsweise im Sommer 2016 auf der Engelsbrücke in Rom. Was erst auf den zweiten Blick klar wird: Der Weg führt direkt in die Engelsburg, für deren Eintritt man natürlich Geld bezahlen muss.

Fernab der Funktion, Werbung in eigener Städte- oder Gemeindesache zu machen, erfreuen sich Floor Graphics bzw. Ground Poster gerade an hoch frequentierten Orten wie Bahnhofshallen, an den Stufen aus dem U-Bahnhof, an Flughäfen, in Einkaufszentren oder auch in Supermärkten großer Beliebtheit und Vielfalt: als Wegweiser zum Shop, als fast greifbare und aus dem Boden poppende 3D-Art, Indoor und Outdoor, witzig, verwirrend und manchmal auch störend. Dennoch schwören Werbetreibende darauf, gerade dann, wenn die Werbung am Boden die Umsätze zu beflügeln scheinen. Ach ja: rutschfest und den Bodenbelag schonend sollten sie natürlich auch sein. Und umweltfreundlich. Dass sie die Wahrnehmung der Werbewelt um uns herum bunter und bisweilen auch unterhaltsamer machen, kann man wahrscheinlich nicht von der Hand weisen. Dass sie in Form von Kreide oder Graffiti eine kostengünstige und spontane Werbeform für lokale Cafés oder Shops sind, trifft bestimmt auch zu. Dass am Ende aber auch ein mit Werbung zugepflasterter Gehweg zu einem Overload an „Kauf-mich-Botschaften“ auslösen kann, oder Städte ihre Kulturschätze davor schützen wollen, ist letztlich aber auch verständlich.

Bilder von den Floor Graphics in Frankreich gibt es hier zu sehen: http://biodegrad.com/category/nos-realisations/actualites/