Die ganze Familie lebt fürs Kino
Wer mit Holger Glandorf über Kino spricht, spürt vom ersten Moment an: Das ist „alternativlos“ – als Kultur- und Freizeitangebot für die Region, aber vor allem für Glandorf selbst. Ein Kinoenthusiast durch und durch. Das liegt wohl auch daran, dass er von klein auf miterlebt hat, was es heißt, gemeinsam als Familie ein Kino zu betreiben. „Unsere ganze Familie lebt fürs Kino“, sagt der 49-Jährige. „Das ist eine Aufgabe, die uns rund um die Uhr, fast 365 Tage im Jahr, auf Trab hält.“
Lieber Kino statt Fernsehen
Dabei lief es für das damalige Bali Lichtspiele im niedersächsischen Twistringen, das Glandorfs Vater bereits in den 60er Jahren eröffnet hatte – in einem Tanzsaal zur Pacht –, lange Zeit gar nicht gut: Irgendwann wurde die Konkurrenz durch das Fernsehen immer stärker, die Besucher blieben aus, so dass das Lichtspielhaus in Twistringen seinen Betrieb einstellte. Eine Befragung in den 80er Jahren ergab dann allerdings, dass die Bürger nicht nur die mangelnde Versorgung mit Arztpraxen beklagten, sondern auch das fehlende Kulturangebot, so etwa auch ein Kino mit interessanten Angeboten.
Für Glandorf Senior ein Signal: Das Cinema Twistringen wurde eröffnet – sehr zur Freude nicht nur der örtlichen Filmfans, sondern auch von dem damals 16-jährigen Holger Glandorf, der gemeinsam mit Freunden im Kino seines Vaters aushalf, wann immer es nur möglich war. 1992 eröffnete die Familie Glandorf im 20 Kilometer entfernten Sulingen ein weiteres Kino, das fünf Jahre später um einen zweiten Saal und im Jahr 2010 um einen dritten Saal erweitert wurde. 2012 schließlich übernahm Holger Glandorf, inzwischen Geschäftsführer der Filmpalast Glandorf GmbH, das Kino in Nienburg, modernisierte es und entwickelte es zu einem echten Publikumsmagneten in der Kreisstadt an der Weser. Übrigens: Glandorf war in den Anfangsjahren des digitalen Kinos einer der ersten, der seine Häuser komplett auf Digital umstellte.
Vielfalt für mehr Filmerlebnis
Mit seinem Filmprogramm setzt Holger Glandorf auf Vielfalt: „Genau das ist es doch, was Kino ausmacht.“ Die Konkurrenz lauert allerdings nicht in Gestalt von anderen Kinos vor Ort, sondern vielmehr seitens des Fernsehens, klar, aber auch durch Veranstaltungen von Kirchen und Vereinen, bei denen ebenfalls Filme vorgeführt werden. Mit diversen Aktionen und Initiativen macht Glandorf das Kinoangebot für die unterschiedlichsten Zielgruppen attraktiv. So gibt es spezielle Vorführungen für Unternehmen, es gibt die Aktion „Gewerkschaft geht ins Kino“, weiter gibt es ein „Hausfrauenkino“. Sonntags werden Matineen veranstaltet, wo ein Kinderfilm und zwei Arthouse-Filme gleichzeitig gezeigt werden. Besonders mit den Kunstfilmen erreicht das Kinounternehmen ein sehr treues, aber auch ein sehr anspruchsvolles Publikum. In Nienburg und Umland initiierte Glandorf eine einjährige Kooperation mit den Schulen, um Kinder und Jugendliche wieder stärker an das Filmerlebnis im Kino heranzuführen und das Bewusstsein für Filmkunst zu schärfen.
Auf Knopfdruck Komfort
Auch mit ihrem besonderen Service heben sich die Kinos von Glandorf hervor: Die Häuser in Sulingen und Twistringen sind so genannte Verzehrkinos – sprich: Auf Knopfdruck werden die Besucher am Platz im Kinosaal mit Snacks und Getränken versorgt. In Sulingen zeigt der Kinobetreiber ein Herz für Raucher: In einem speziellen Raucherraum vor dem Saal können rauchende Filmfans während ihrer Zigarettenpause den Film auf einem Bildschirm weiterverfolgen.
Demnächst wird, verrät Holger Glandorf, in Nienburg ein ganz neues, „supermodernes“ Kino eröffnen – der im Nahbereich liegende, etwa 100 Jahre alte Filmpalast Nienburg wird dann geschlossen. Derzeit verhandelt Glandorf mit der Stadt Nienburg über den Standort. Dass das neue Kinozentrum kommen wird, steht bereits fest – die Pläne sind ausgereift. Das Haus mit etwa 700 Plätzen in sieben Kinos, eines davon ein reines Sofa-Kino („mit richtigen Sofas“), wird der neue cineastische Mittelpunkt von Nienburg. „Ich freue mich schon sehr auf das neue Kinozentrum in Nienburg – mit mir auch meine Frau Sandra, die mir den Rücken für viele Aufgaben stärkt und mich unterstützt.“ Glandorf ist stolz auf die Fortführung des Lebenswerkes seines Vaters und natürlich dankbar, dass auch der inzwischen 88-jährige Senior Franz-Josef Glandorf, dem Gründer der Kinos in Twistringen und Sulingen, dieses wunderschöne neue Kino noch erleben wird. Die Erfolgsstory der Glandorf-Kinos in der niedersächsischen Provinz Mittelweser schlägt demnächst also ein neues Kapitel auf und setzt Zeichen für die Weiterentwicklung moderner Kinos.
Kino mit gesellschaftlichem Auftrag
„Kino hat auch in dieser digitalen und schnelllebigen Zeit immer noch einen besonderen Stellenwert – dieses damit auch in der gesellschaftspolitischen Entwicklung“, betont Glandorf. Letztendlich habe man den Auftrag, neben heiteren Themen auch kritische Zeitthemen als kreativer Partner der Filmindustrie im Rahmen eines gemeinsamen Kulturauftrages geschmackvoll zu initiieren. „Ziel ist es auch, junge Menschen über die Zeitgeschichte, Dokumentationen Zusammenhänge zu informieren und bisweilen zu kritischen Denkansätzen zu animieren“, sagt der Kinobetreiber. „Besser und plastischer geht es halt im Kino in Gemeinschaft mit anderen Bürgerinnen und Bürgern.“